Geschichte

Winnigstedt

Ein Dorf mit Geschichte und Zukunft

Die Gemeinde Winnigstedt liegt im südöstlichen Teil des Landkreises Wolfenbüttel, unmittelbar an den Grenzen der Landkreise Helmstedt und Harz. Sie besteht aus den ehemals eigenständigen Ortsteilen Groß und Klein Winnigstedt und dem Ortsteil Mattierzoll.

Der erste urkundliche Nachweis über die Existenz des Ortes Winnigstedt, bzw. der Orte Groß und Klein Winnigstedt stammt aus dem Jahr 1182. Im Urkundenbuch des Hochstiftes Halberstadt wird ein Landtausch von einer Hufe Land in Winnicstede an das Kloster Marienthal erwähnt.

Im Jahr 1190 wird durch Herzog Heinrich von Braunschweig ein weiterer Landtausch in Winnigstide beurkundet. Bereits im Jahr 1147 wird im Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt ein Bruno de Winnigstide genannt. Auf dieses Rittergeschlecht geht auch das Wappen der Gemeinde Winnigstedt zurück. Das Wappen zeigt in Blau drei goldene nebeneinanderstehende Brandpfeile. Es wurde im Jahr 1378 durch Dietrich von Winnigstedt geführt und sollte die Wehrhaftigkeit des Rittergeschlechts derer von Winnigstedt symbolisieren. Die Farben Gold (Gelb) und Blau zeigen die Verbundenheit zum Braunschweiger Land. Der Verwendung des Wappens durch die Gemeinde Winnigstedt wurde 1953 durch Dr. Robert Winnigstedt, wohnhaft in Bonn, zugestimmt.

Der Ortsname Winnigstedt hat sich über die Jahrhunderte immer wieder verändert. Als Beispiele sollen hier Winnincstede, Winnigstide, Vinnigenstede, Winninghestidde und Winningstidde genannt werden. Für Groß Winnigstedt wurden über die Jahrhunderte die Bezeichnungen Wester-, magno-, und maiori  angewandt, also West- oder Groß Winnigstedt.

Für Klein Winnigstedt galten dementsprechend die Bezeichnungen Oster-, orientalis-, parva-, oder minori, also Ost- bzw. Klein Winnigstedt.

Der eigentliche Ursprung von Groß und Klein Winnigstedt ist wahrscheinlich schon viel früher zu vermuten. Die Endung „stedt“ im Ortsnamen ist seit dem 8. Und 9. Jahrhundert weit verbreitet. Letzten Endes deuten Funde zwischen Groß Winnigstedt und Mattierzoll darauf hin, dass eine sehr frühe Besiedlung der Gegend stattgefunden hat. Am Grandberg wurde 1953 ein gut erhaltenes Hockergrab mit Tonscherben aus der Jungbronzezeit gefunden.

Als eigentlicher Ursprung kann der Ort Dorgenstedt vermutet werden. Die Bezeichnung Dorgenstedt für eine sogenannte Wüstung nördlich des heutigen Ortes, am Fuße des Uehrder Berg gelegen, ist auch heute noch bekannt.

In der Senke verlief in früher Zeit eine Handelsstraße in West-Ost Richtung, die das Harzvorland und die Pfalzen in Goslar und Werlaburgdorf mit Schöningen, Helmstedt und Magdeburg verband. Auch die frühzeitlichen Siedlungen in Isingerode und am Heeseberg (Wallburgen) waren möglicherweise über diesen Weg verbunden. In Nord-Süd Richtung verlief ein weiterer Handelsweg von Halberstadt über das „Große Bruch“ in Richtung Elm und Königslutter. Wie wichtig diese Handelswege gewesen sein müssen, bezeugt die Tatsache, dass in beiden Winnigstedter Ortsteilen und in Mattierzoll über die Jahrhunderte, mehrfach, jeweils ein Bergfried bzw. in Mattierzoll ein befestigtes Zollhaus erwähnt werden.

Über die eigentliche Gründung des Ortsteiles Mattierzoll ist noch weniger bekannt. Ursprung ist wahrscheinlich ein Gasthof oder eine Station für den Pferdewechsel am sogenannten Hessendamm über das „Große Bruch

Das Bruch war vor seiner Trockenlegung ein sehr großes Sumpf- und Moorgebiet, das sich von Hornburg bis Oschersleben erstreckte und nur an wenigen Stellen überquert werden konnte. Hier wurde eine Zollstation an der wichtigen Verbindung zwischen Braunschweig/Wolfenbüttel und Halberstadt bzw. Quedlinburg, Blankenburg und Leipzig eingerichtet. Als Wegzoll musste ein sogenannter Mathier, auch Mathiaspfennig genannt, entrichtet werden. Also ein Münze, die das Bildnis des Heiligen Mathias zeigte. Unter Herzog Julius wurde die Zollstation in Mattierzoll im 16. Jahrhundert erheblich ausgebaut und auch befestigt. Die heutige Bundesstraße 79 (Leipziger Straße) folgt diesem alten Handelsweg.

Durch den fruchtbaren Bördeboden und die günstige Lage an den Handelsstraßen entwickelten sich Groß- und Klein Winnigstedt zu recht wohlhabenden Bauerndörfern. In Groß Winnigstedt gab es zudem ein großes Gut, auch Junkerhof oder Domäne genannt und ein Amt, das die Verwaltungsangelegenheiten und die Gerichtsbarkeit vor Ort regelte.

Neben der Landwirtschaft sind auch die Winnigstedter Mühlen zu nennen. Zwei Wassermühlen, die Teichmühle an der Teichstraße und die Lindenmühle in Klein Winnigstedt sind auch heute noch vorhanden und werden als Wohnhäuser genutzt. Eine Windmühle befand sich auf dem Mühlenberg in Klein Winnigstedt.

Ebenfalls werden eine Schmiede, Backhäuser, Pfarrwitwenhäuser und natürlich die beiden Winnigstedter Kirchen immer wieder erwähnt. Beide Kirchen, heute die Apostelkirche an der Schulstraße und die Christuskirche an der Hauptstraße, wurden über die Jahrhunderte immer wieder umgebaut und verändert. Die eindrucksvollen Gotteshäuser zeugen auch heute noch vom Wohlstand der Gemeinden Groß- und Klein Winnigstedt.

Ein gemeinsames Spritzenhaus von Groß und Klein Winnigstedt wird erstmalig 1770 erwähnt. Das Haus stand auf dem Grund der Domäne, an der Teichstraße. Eine Handdruckspritze und Ausrüstung für die Bekämpfung von Feuersbrünsten wurden hier vorgehalten. An dieser Stelle steht heute noch das für die Feuerwehr Groß Winnigstedt 1905 erbaute Spritzenhaus, das dann ab 1939 wieder von der vereinigten Freiwilligen Feuerwehr Winnigstedt genutzt wurde. Gegenüber, in der Schulstraße befindet sich die „Alte Schmiede“ mit Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert. Schmiede und Wohnhaus befinden sich heute ebenfalls in Privatbesitz. In beiden Orten wurden im 18. Jahrhundert Schulhäuser errichtet. In Groß Winnigstedt wurde nachweislich 1766 ein Schulhaus gebaut.

Mitte des 19. Jahrhunderts kam es dann in Winnigstedt zu einschneidenden Veränderungen im bäuerlich geprägten Dorfleben. Zwischen 1865 und 1867 wurde die Bahnlinie Börßum-Jerxheim als Teil der Verbindung zwischen Frankfurt am Main und Berlin gebaut. Die Bahnlinie führte auch durch die Feldmark der beiden Winnigstedter Gemeinden. In Mattierzoll wurde ein Bahnhof errichtet. Wenige Jahre später wurde die Kleinbahnlinie (keine Schmalspurbahn!) Mattierzoll-Heudeber gebaut. In Mattierzoll entstanden ein weiteres Bahnhofsgebäude und ein Übergabegleis zwischen Kleinbahn und Staatsbahn. Zur Jahrhundertwende wurde dann noch die Zweigstrecke der Braunschweig-Schöninger-Eisenbahn von Hötzum, entlang der Asse, über Winnigstedt nach Mattierzoll errichtet. In Winnigstedt entstand ein weiterer Bahnhof, in Mattierzoll wurde der Bahnhof der Kleinbahn genutzt.

Somit entwickelte sich der Ortsteil Mattierzoll zu einem Eisenbahnknotenpunkt mit umfangreichen eisenbahntechnischen Anlagen, darunter zwei Empfangsgebäude, zwei Stellwerke, Güterschuppen mit Laderampe und Kran. Eine Bahnmeisterei, Fernmeldeamt und Postamt, Gastronomie sowie Industrie, Handwerk und Handel bestanden ebenfalls. Die Aktienzuckerfabrik und das Handelsunternehmen Lämmerhirt in Mattierzoll verfügten über eigene Gleisanschlüsse. Die Rübensaftfabrik in Winnigstedt verfügte ebenfalls über einen Gleisanschluss.

Durch die Eisenbahn und die Industrieunternehmen in Winnigstedt und Mattierzoll wurde das dörfliche Leben erheblich verändert. Menschen, die nicht unmittelbar in der Landwirtschaft arbeiteten, sondern die als Fabrikarbeiter, in der Betriebsverwaltung, als Arbeiter oder Beamte bei der Eisenbahn tätig waren, kamen nach Winnigstedt. Die Zahl der Handwerksbetriebe stieg stetig an. Gaststätten und Läden waren zahlreich vorhanden.

Neue Schulhäuser wurden 1891 errichtet, es gab eine landärztliche Versorgung. Aus der Pflichtfeuerwehr Winnigstedt entstanden 1874 die Freiwilligen Feuerwehren Groß- und Klein Winnigstedt, die vom Fabrikdirektor Otto Knauer als Hauptmann geführt wurden und immer gemeinsam ausrückten. Um 1905 wurden in beiden Orten neue Spritzenhäuser gebaut.

Im Jahr 1910 wurde das Schützenhaus an der Roklumer Straße errichtet. Der Winnigstedter Schützenverein wurde bereits 1860 gegründet. Das Schützenhaus wurde in den 1980er Jahren an die Gemeinde überschrieben und anschließend von allen Vereinen renoviert. Seit 1988 dient es als Dorfgemeinschaftshaus. 1909 und 1919 wurden in Groß und Klein Winnigstedt ein Turn- bzw. ein Sportverein gegründet. Im Jahr 1925 wurde der erste Sportplatz am Grandberg eingeweiht.

Im Jahr 1936 wurde in Winnigstedt am Grandberg die Siedlung gebaut. Es entstanden sechs Höfe im sogenannten Niedersachsenstil. Auf die Höfe wurden Bauern aus Völkenrode bei Braunschweig umgesiedelt, da dort ein Fliegerhorst für die Luftwaffe errichtet wurde. Für die Umsiedler wurde das Land der Domäne aufgeteilt. Weitere Höfe entstanden am Bruchweg.

Im Jahr 1939 wurde aus den eigenständigen Gemeinden Groß Winnigstedt (mit Mattierzoll) und Klein Winnigstedt die Gemeinde Winnigstedt gegründet. Die furchtbare Zeit des Zweiten Weltkrieges ging auch an Winnigstedt nicht spurlos vorbei. Die Familie Löwendorf wurde wegen ihres jüdischen Glaubens vertrieben und verfolgt. Heute erinnern vier Stolpersteine in Mattierzoll an das grausame Schicksal der Familie. Auf dem Friedhof in Groß Winnigstedt finden sich die Gräber von vier russischen Kriegsgefangenen. Am Grandberg stürzte ein abgeschossenes britisches Flugzeug ab. Die Bahnhofsanlagen in Mattierzoll wurden von Tieffliegern angegriffen und die Zivilisten, Frauen und Kinder, wurden von den Fliegern beschossen. Zahlreiche Winnigstedter Männer wurden zum Kriegsdienst eingezogen und starben an allen Fronten, viele kehrten verwundet an Körper und Seele aus dem Krieg zurück.

Nach dem Kriegsende im Jahr 1945 lag Winnigstedt an der Grenze zwischen dem britischen und russischen Sektor. Zahlreiche Flüchtlinge aus den Ostgebieten kamen nach Winnigstedt. Zu Beginn der 1950er Jahren stieg die Einwohnerzahl auf über 2400 an. An der Zonengrenze in Mattierzoll war sprichwörtlich die Welt zu Ende. Die Bahnlinie nach Heudeber und die Bundesstraße 79 waren unterbrochen und abgeriegelt.

Mit Gründung der Bundesrepublik machte sich auch das Wirtschaftswunder in Winnigstedt bemerkbar. Handwerk, Handel, Industrie und Landwirtschaft sorgten für Arbeit und Wohlstand in der Gemeinde. In Mattierzoll wurde der damals modernste Molkereibetrieb in Europa errichtet. In Winnigstedt wurden die neue Schule und die Turnhalle gebaut. Das Wasserwerk, die Kläranlage, das neue Feuerwehrhaus und die Sportplätze am Grandberg - mit Umkleiden - und an der Turnhalle entstanden. Das Sportgelände am Grandberg wurde auch als Betriebssportplatz der Molkerei genutzt. Im Jahr 1962 wird in Winnigstedt die erste Jugendfeuerwehr im Landkreis Wolfenbüttel gegründet. Sie bestand bis 1967.

Nach und nach machte sich aber die abgeschiedene Lage im Zonenrandgebiet bemerkbar. In den 1960er Jahren wurden Zuckerfabrik, Rübensaftfabrik und Molkerei (1968) geschlossen. Der Betrieb der Braunschweig-Schöninger-Eisenbahn wurde eingestellt. Der letzte Personenzug der Deutschen Bundesbahn fuhr im Jahr 1976. Danach wurde bis zur endgültigen Demontage der Bahnlinie in den 1980er Jahren nur noch Güterverkehr abgewickelt.

Ab 1974 wurde die ehemals eigenständige Gemeinde Winnigstedt eine Mitgliedsgemeinde der Samtgemeinde Schöppenstedt. Die Verwaltung wurde zentral nach Schöppenstedt verlegt, die Volksschule zur Grundschule herabgestuft. Die Infrastruktur in Winnigstedt verschlechterte sich zunehmend. Auch das dörfliche Leben veränderte sich. Es gab immer weniger Arbeitsplätze im Ort. Viele Bewohner pendelten nun zu ihren Arbeitsplätzen in die umliegenden Städte, die Einwohnerzahl sank kontinuierlich.

Auch die Grundschule sollte immer wieder geschlossen werden. Aber verantwortungsbewusste Einwohner haben in den vergangenen Jahren immer wieder um ihre Grundschule mit Erfolg gekämpft. Zudem wurde auf Initiative aus der Bevölkerung der Verein „Winnigstedter Kindernest e.V.“ gegründet, der die Trägerschaft für einen Kindergarten übernahm, das "Kindernest". Ab 1983 wurde hierfür ein Raum der Grundschule genutzt. Im Jahr 1992 wurde dann der Neubau für das Kindernest auf einem Teil des Schulhofgeländes errichtet. Das  "Kindernest" befindet sich bis zum heutigen Tage in der Trägerschaft des Vereins.

Im November 1989 wurde nach der friedlichen Revolution in der DDR bei Mattierzoll die Grenze geöffnet. In den darauffolgenden Tagen und Wochen herrschte Volksfeststimmung in Winnigstedt. Der Verkehr nahm sprunghaft zu, als zwischen Mattierzoll und Hessen ein offizieller Grenzübergang zwischen den beiden deutschen Staaten eingerichtet wurde. 1990 folgte dann die lang ersehnte Wiedervereinigung. Auch in Winnigstedt machte sich die Wiedervereinigung bemerkbar. Die Einwohnerzahl stieg wieder auf über eintausend an, Handwerk und Gewerbe wurden belebt. Das Grenzmuseum in Mattierzoll erinnert heute an die deutsche Teilung und an die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.

Die Schülerzahlen in der Grundschule stiegen ebenfalls wieder an. Die Gemeinde Uehrde wurde dem Schulbezirk Winnigstedt angegliedert und die oft totgesagte Schule musste baulich erweitert werden. Heute wird die Schule durch die Winnigstedt Stiftung zu einem erheblichen Teil finanziell unterhalten. Somit ist der Schulbetrieb zunächst gesichert.

Seit 2014 ist die Gemeinde Winnigstedt eine Mitgliedsgemeinde der Samtgemeinde Elm-Asse, die aus dem Zusammenschluss der Samtgemeinden Schöppenstedt und Asse entstanden ist.

Heute ist Winnigstedt eine Gemeinde mit ca. 730 Einwohnern und weist eine zu anderen Dörfern vergleichsweise gute Infrastruktur auf. Insbesondere die Winnigstedterinnen und Winnigstedter Bürger prägen unseren Ort mit ihrem regen ehrenamtlichen Engagement in den Vereinen, Verbänden und Organisationen.

Es würde mich freuen, wenn dieser kleine Einblick in die Geschichte unseres Ortes ihr Interesse an Winnigstedt geweckt hat.

Marc Germer
Stellvertretender Bürgermeister